Achterbahn im Frühlingsgarten

Achterbahn im Frühlingsgarten
Unsere Gartenexpertin Anne Rostek über gärtnerisches Freud und Leid zum Start der Gartensaison

Ich bin seit 20 Jahren im Gartenbau tätig. Jemand wie ich sollte es besser wissen. Wovon ich rede? Von einem jährlichen Phänomen, das Gartenprofis wie -amateure gleichermaßen "befällt". Jedes Frühjahr wieder ertappe ich mich, wie ich beim Begutachten meiner Gartenpflanzen wahre Höhen und Tiefen durchleide. Bei den meisten dieser Pflanzen handelt es sich um Stauden, also mehrjährige, krautige Pflanzen, deren oberirdische Teile im Herbst absterben, die mit unterirdischen Knospen überwintern, um dann im Frühling daraus wieder frisch auszutreiben. Man sollte meinen, alles im grünen Bereich: Pflanze stirbt, Pflanze kommt wieder! Hier aber beginnt meine emotionale Achterbahn.

Frühlingsqualen

Munteres Stochern

Kaum ist das Wetter so, dass man es im Garten einigermaßen aushält, ohne sich Frostbeulen zu holen, geht es los, das große Stochern mit dem Zeigefinger. Da war doch ein Tränendes Herz und hier eine Wiesenraute? Wo ist die Götterblume und wieso regt sich noch nichts bei der Frühlingsplatterbse? Die Bandbreite der dabei empfundenen Gefühle reicht von Neugierde (lässt sich schon erster Austrieb ertasten?) über reines Misstrauen (hat diese oder jene Pflanze es etwa doch nicht über den Winter geschafft?) bis hin zu purer Wut, wenn man beim Bohren mit dem Zeigefinger auf etwas matschiges stößt, das einmal trotz sorgfältigem Winterschutz ein ansehnlicher Agapanthus war. Grrrr…

Munteres Stochern

Der Jahreszeiten-Kick

Schön blöd, werden Sie jetzt denken: Wozu Stauden pflanzen, wenn man im Frühling dann solch Bangen durchlebt? Genau diese innere Achterbahn war für mich jedoch einst Grund genug, den Beruf der Staudengärtnerin zu erlernen und zwar in den gemäßigten Breiten und nicht am Äquator. Das Reich der Pflanzen kennt viele wundervolle Kreaturen, aber die Gruppe der Stauden bietet einem durch ihr beständiges Werden und Vergehen den ultimativen Kick. Würde ich in den Tropen leben, würde ich mich kurzfristig an der dortigen Vegetation erfreuen, keine Frage, aber mir würde sehr schnell der Wechsel der Jahreszeiten fehlen, der bei unseren Pflanzen so vielfältiges Verhalten auslöst.

Der Jahreszeiten-Kick

Zauberhafter Austrieb

Denn, wagen sich im Frühling die ersten Stauden erst einmal mutig an die Erdoberfläche, ist alles Bangen und Mistrauen vergessen und schiere Verzückung macht sich breit. Nichts entschädigt einen für den Anblick frisch austreibender Funkien, deren neue Triebe wie Hörner aus dem Boden hervorstoßen. Leise und feenhaft dagegen die Elfenblumen, die zartes herzförmiges Laub und dann die entzückendsten Blüten ausbilden. Oder haben Sie schon einmal Flaumfederfiligranfarn (Verzeihen Sie mir diesen Zungenbrecher) beim Entrollen seiner Wedel zugesehen? Im Frühling erwacht der Garten zu neuem Leben und man möchte in seiner Begeisterung schier hineinbeißen in all das frische junge Grün (und wahlweise Rot). Oh happy Staudengarten!

zauberhafter Austrieb

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